Fotolia 76416616 XSGastbeitrag gefunden im Internet bei www.mstefan.com

Da ich selbst immer wieder Webseite für wenig Geld bauen soll, finde ich den folgenden Beitrag sehr lesenswert:

Aus aktuellem Anlass möchte ich mich mal dem Thema Projektkosten widmen.
Wir haben unlängst ein Angebot für eine Website inkl. Redaktionssystem und Shop abgegeben. Zu einem Preis, der aus unserer Sicht günstig war. Als wir nach ein paar Tagen nachfragten, wie es dem Kunden denn mit unserem Angebot ginge, staunten wir nicht schlecht. Da hatte er doch glatt ein Gegenangebot bekommen, welches bei satten EURO 700,- lag. Wahrscheinlich auch noch inklusive Mehrwertsteuer.

Also noch mal für unser Protokoll: Es geht um Konzeption, Design, (X)HTML- und CSS-Programmierung, Einbinden eines Redaktionssystems mit Teils sehr spezifischen Templates und zu guter letzt auch noch einen Online-Shop.

 Normalerweise werde ich in solchen Momenten stinksauer. In diesem Fall, war der Preis aber derart surreal, dass ich sehr amüsiert war und begann mich in diesen „Konkurrenten“ hineinzudenken.

Da sitzt er nun und muss für 700 Euros solch ein Projekt abwickeln.
Zählen wir mal auf …

    * Konzeption: Selbst wenn man da nach dem Schema 08/15 vorgeht und wirklich alles unhinterfragt umsetzt, wird sich das in etwa auf 5 Stunden belaufen.
    * Design: Wieder davon ausgegangen, keine hohen Ansprüche an seine Arbeit zu setzten, wird die ganze Sache doch immerhin 10 Stunden kosten.
    * (X)HTML: Ich geh jetzt mal davon aus, dass es die Trennung von HTML und CSS bei diesem Projekt gibt und veranschlage für die unterschiedlichen Templates (ca. 10 an der Zahl), 5 Stunden. Hier kann man ja wirklich viel Zeit sparen indem man auf Title-Attribute, Alt-Texte, Meta-Tags und Konsorten verzichtet. Die sind zwar eigentlich wichtig, aber der unvorbereitete Kunde wird wahrscheinlich nie mit der nicht vorhandenen Existenz derselben konfrontiert werden. Unser Freund macht also wirklich nur das Notwendigste um sein Design online zu bringen.
    * CSS: Um unterschiedliche Browser wird sich nicht gekümmert. Dass Firefox, die mit Padding versehenen Spalten, breiter macht als angegeben und zwar um genau jenen Wert, den das Padding ausmacht, wird als lustiger Netscape-Bug abgetan. Wir programmieren für Internet-Explorer. Benutzen eh 90% (wir pfeifen an dieser Stelle also auf jeden zehnten Benutzer unserer Website). Gut. Die Grafiken schneiden und das CSS so halbwegs hinbiegen. Sagen wir 4 Stunden in aller Freundschaft.
    * Redaktionssysteme gibt es wie Sand am Meer. Die meisten sind gratis. Hier kann man also wirklich sparen. Die Templates werden mit notwendigsten Funktionen umgesetzt. Der Menüpunkt „Jobs“ erscheint natürlich auch, wenn es gar keine offenen Stellen gibt. Natürlich nicht mit einer Aufforderung zur Blindbewerbung (was OK wäre), sondern einfach leer, weiß, nichts da. Ist legitim. Ist ja auch eine Info, wenn’s nichts zu lesen gibt. Sagen wir mal 16 Stunden.
    * Shop: Auch hier gibt’s fertige Lösungen, die gut funktionieren. Bezahlung mit Kreditkarten war nicht spezifiziert, also wird hier alles ein wenig leichter. Aus dem Warenkorb wird einfach ein Mail an den Kunden generiert. Inklusive Aufsetzten und Designanpassungen (Design, was?) brauchen wir geschätzte 8 Stunden.

Ergibt also insgesamt 48 Stunden. Wir behalten im Hinterkopf, dass die Zeitannahmen Schwachsinn und unhaltbar sind. Nicht, weil der Anbieter nicht bereit wäre, sich so wenig um das Projekt zu kümmern, sondern weil der Kunde die notwendige Mehrarbeit um etwas halbwegs Sinnvolles zu erhalten, mit Recht einfordern wird.

48 Stunden also. Jetzt drehen wir das ganze mal um. Wir gehen davon aus, der Anbieter hat keine Mitarbeiter und arbeitet ausschließlich auf eigene Rechnung. Er tut dies mit veralteter Hardware und verzichtet aus Prinzip darauf, Software legal zu erwerben. Ist ja auch eine Frechheit, was die dafür haben wollen. Schriften kaufen? Hahahaaa! Das soll wohl ein Witz sein?! Rechtschutz-, Ausfalls- und Betriebsversicherung – wie bitte? Steuärbera…, Steueeerb…, Steuerberadhär. Hä???

Ich könnte noch eine ganze Weile so weitermachen aber der geneigte Leser hat längst verstanden. Wir sprechen von jemandem, der nahezu keine Fixkosten hat.

Wir sind noch immer bei 48 Stunden.

Auch jemand, der kaum Fixkosten hat, macht Urlaub, wird krank und muss unbezahlte Dinge erledigen. Angebote schreiben, Kunden besuchen, Buchhaltung machen, neue Jobs akquirieren. Gehen wir also davon aus, dass unser Freund über eine phänomenale Ausbeute von 70% bezahlter Stunden verfügt. Bleiben ca. 14 bezahlte Werktage mit jeweils 8 Stunden. Ergibt 112 Stunden.

Wir können also davon ausgehen, dass man mit diesem Konzept, ca. 2,3 derartige Projekte im Monat umsetzen kann. Ausgestattet mit dieser Erkenntnis, multiplizieren wir die Projektkosten von EURO 700,- mit den 2,3 Projekten je Monat und erhalten die Summe EURO 1.610,- (Eintausendsechshundertzehn Euro). Wir stehen nun freudig vor unserem monatlichen Gewinn (natürlich bei Vollauslastung). Trotzdem – gut so, spitze, ist das Leben schön!

Ach, Moment … "Monatlicher Umsatz" nennt man das. Da kommt dann irgendwie noch was weg, oder so. Stromkosten zu Beispiel. Telefonkosten hat man dann als Selbständiger auch ein wenig mehr. CD-Rohlinge, Briefpapier, Visitenkarten – klassisches Verbrauchsmaterial und so weiter. Domain-, und Hostingkosten für die eigene Page kann man auch schwer wegsparen. Da wir aber Optimisten sind, gehen wir davon aus, dass uns all diese Dinge, pro Monat, nicht mehr als sagen wir 300 Euro kosten.

Zwischensumme: EURO 1.310,-
Ist aber immer noch recht gut. Man ist ja sparsam.

Wie, Sozialversicherung? Steuer? Ach ja, da war doch was …
Mit genauen Daten, kann ich hier auch nicht dienen (siehe Steuerberater) aber wir gehen mal von ca. 450 Euro im Monat aus und verbleiben mit einem Endergebnis von Euro 860,-

860,- ist schon recht knapp. Wir bedenken, dass wir bei diesem Betrag, realistisch gesehen, kein Geld in der Firma lassen werden. Wir haben uns also hier gleich selbst die Ausrede dafür gebastelt, Software und Konsorten nur in Form von „Sicherheitskopien“ zu verwenden.

Jetzt muss der Bursche aber zum ersten Mal der Realität ins Auge sehen.
Der Kunde wird mehr als unzufrieden mit seinen Leistungen sein. Er kann ja nicht wissen, dass das Ergebnis eines 700 Euro Angebots nicht die gleiche Qualität haben kann wie die Webseiten von größeren Unternehmen, mit denen er seine vergleicht. Der Kunde wird Forderungen stellen und der Anbieter wird zuerst abwehren, weil das nicht im Preis enthalten sein kann und dann doch nachgeben (müssen). Unterm Strich werden also alle unglücklich sein und unser Freund wird statt seinen irrtümlich veranschlagten 48 Stunden um die 100 arbeiten. Das wird seinen möglichen monatlichen Gewinn auf bestenfalls 450 Euro drücken.

Würden wir in Folge noch Fixkosten, die mit 300 Euro auch für einen Heimwerker viel zu gering veranschlagt sind (die reichen gerade mal für den Steuerberater …), richtig bewerten und den Prozentsatz der bezahlten Stunden auf realistische 50-60% senken, notwendige Versicherungen einkalkulieren und darüber hinaus davon ausgehen, dass es im Firmenbereich selbstverständlich sein sollte, mit bezahlter Software zu arbeiten, wird schnell klar, dass unser Freund nicht kalkulieren kann bzw. es erst gar nicht versucht.

Da dieser Anbieter, aufgrund eines Konkurses, bald auf Jobsuche sein wird, kann ich allen, die darüber nachdenken, einen eigenen Designladen aufzumachen nur eines raten:

Lernt kalkulieren! Beschäftigt euch damit, bevor ihr auch nur eine Idee an ein Firmenkonzept verschwendet! Ihr könnt die besten Designer dieses Sonnensystems sein – kalkuliert ihr falsch, habt ihr ein Problem. Lernt aber vor allem deshalb kalkulieren, weil immer wenn 10 Anbieter in Konkurs gehen, die es nicht tun, sie einen seriösen mitnehmen. Schlicht und ergreifend, weil sie die Preise im unteren Segment so zerstören, dass es niemand mehr seriös bedienen kann.

Lernt kalkulieren!

 

Quelle: http://mstefan.com/blog/?p=30